Antrag zur Entschließung des
europäischen Parlaments bezüglich der Mitteilung
der Kommission über illegale und schädigende
Inhalte im Internet (COM(96)0487 - C4-0592/96), die am 24.
April 1997 angenommen wurde.
Die unterzeichnenden Organisationen, die direkt
betroffenen europäischen Mitglieder und die ihnen
solidarisch verbunden nicht-europäischen Mitglieder der
GILC-Vereinigung (Global Internet Liberty Campaign
-Internationale Vereinigung zur Wahrung der Freiheit im
Internet),
- gestützt auf ihre Grundprinzipien:
* ein Verbot der a priori Zensur von
On-line-Kommunikation
* wenn Gesetze den Inhalt von On-line-Messages regulieren
sollen, muß zwischen der Verantwortlichkeit der
sogenannten Content- Provider" und der von bloßen
Netzbetreibern unterschieden werden
* die nachdrückliche Forderung, daß die freie
elektronische Meinungsäußerung nicht durch
indirekte Maßnahmen wie staatliche oder private
Regulative von Hard- und Software, die Telefoninfrastruktur
oder Teilen des Internet eingeschränkt werden darf
* Menschen aus Ländern, die wirtschaftlich schwach
sind, über mangelnde Infrastruktur verfügen und
keinen oder geringen Zugang zu moderner
Informationstechnologie haben, dürfen vom weltweiten
Entwicklungsprozeß der Informations-Infrastruktur
nicht ausgeschlossen werden
* das Verbot jeglicher Diskrimination wegen Rasse,
Hautfarbe, Geschlecht, Farbe, Religion, politischer oder
anderer Meinungen, nationaler oder sozialer Herkunft,
Abstammung, Zugehörigkeit oder sonstiger Gegebenheiten.
* persönliche Daten, die im Rahmen der Entwicklung
der weltweiten Informations-Infrastruktur gewonnen werden,
dürfen nicht für andere Zwecke mißbraucht,
werden. Diese Daten dürfen nicht ohne
ausdrückliche Genehmigung der Betroffenen weitergegeben
werden, denen überdies ermöglicht werden
muß, Einsicht in von Dritten gesammelte,
persönliche Informationen via Internet zu nehmen und
diese gegebenenfalls zu korrigieren.
* die Möglichkeit der uneingeschränkten
Datenverschlüsselung für On-line-User
- In der Kenntnis, daß diese Prinzipien in breitem
Umfang in die Erwägungen A bis R der am 24. April durch
das europäische Parlament beschlossene
Entschließung über die Mitteilung der Kommission
über illegale und schädigende Inhalte im Internet
(COM(96)0487 - C4-0592/96)Eingang gefunden haben,
Wird der Geist der Entschließung des
Europäischen Parlaments unter dem Vorbehalt der
nachfolgenden Einwände positiv aufgenommen.
Die unterzeichnenden Organisationen :
1. Sind besorgt über die Gefahr einer
willkürlichen Interpretation, die durch bestimmte
Formulierungen der Entschließung ermöglicht wird.
- So in der Erwägung D, indem bezüglich der
Kinderpornographie das Wort oder Bild als Dokumentation
eines tatsächlichen Vorgangs gesehen und insoweit nicht
zwischen reeller und künstlich erstellter Abbildung
unterschieden wird. Die Frage, ob dem Bild ein
tatsächlicher Mißbrauch zugrunde liegt, sollte in
jedem Einzelfall von einem Gericht entschieden werden.
- So in der Erwägung J, indem der Begriff der
"perversen Pornographie" genannt wird, ohne ihn weiter zu
präzisieren.
- So in Punkt 14 der Entschließung, indem auf einen
"politischen oder sittenwidrigen Mißbrauch" verwiesen
wird.
- So in Punkt 32, indem in der englischen und
französischen Version des Textes auf "informations
codées" bzw. "encoded information" verwiesen wird und
die deutsche Fassung von Verschlüsselung spricht.
- So in Punkt 35, indem "strafwürdige Inhalte"
behandelt werden, während die Punkte 33 bis 37 nur
"schädigende Inhalte" betrifft.
2. Warnen vor der Gefahr einer Förderung des
Denunziantentums wie auch vor der Möglichkeit
contraproduktiver Auswirkungen von einigen der in der
Entschließung vorgeschlagenen Maßnahmen.
- So in Punkt 7, indem zur Einrichtung einer
"europäischen Qualitätskennzeichnung" für
Anbieter von Internet-Diensten aufgefordert wird [...], was
diese Anbieter ermutigt, die Informationsinhalte auf ihren
eigenen Systemen zu überprüfen. Eine solche
Maßnahme würde die Anbieter von Internet-Diensten
zu Zensieren und Denunzianten ihrer Kunden machen.
- So in Punkt 21, indem "leicht zugängliche
nationale Kataloge" von illegalem Material" vorgeschlagen
werden und damit ein Pranger entsteht. Ist die
Identität des Inhaltsanbieters enthalten, werden die
Kataloge zu einer Gefahr für den Datenschutz.
Darüber hinaus könnte eine solcher Katalog durch
seine Öffentlichkeit eine zusätzliche Strafe
bedeuten. Der Punkt 21 steht außerdem im Widerspruch
zur Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher
Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und
zum freien Datenverkehr und zu den Artt. 6 und 8 der
Europäischen Menschenrechtskonvention.
- So in Punkt 35, indem der Beginn von Maßnahmen
gefordert wird, die für alle Anbieter von Informationen
über das Internet eine eindeutige Absenderkennung
vorschreiben. Lassen sich solche Maßnahmen für
juristische Personen als Anbieter von Maßnahmen noch
rechtfertigen, nimmt ihre Anwendung dem Bürger jedes
Recht auf das legitime Interesse auf Anonymität. Dies
umso mehr, als die Legitimität dieser Anonymität
in Punkt 5 der Entschließung anerkannt wird, in dem
festgestellt wird, [...]"daß in verschiedenen
autoritären und repressiven Staaten Internet-Dienste
wegen der Anonymität, Interaktivität und
Geschwindigkeit, die sie bieten, eine wichtige Rolle
für die Kommunikation zwischen verfolgten Personen und
anderen Opfern und dem Rest der Welt gespielt haben".
- So in den zahlreichen Verweisen auf das PICS-Verfahren,
das, wenn es ohne Beschränkung angewendet wird, eine
mißbräuchliche Verwendung der klassifizierten
Inhalte im Sinne von Denunziation und Zensur erleichtern
kann.
3. Erinnern daran, daß einerseits das Internet ein
grenzüberschreitendes Netzwerk ist, und daß
andererseits die soziokulturellen Differenzen zwischen den
Völkern, auch zwischen den Völkern der
Europäischen Union, nicht außer acht gelassen
werden können und daß jeder Versuch einer
Zwangsharmonisierung dieser Aspekte von Anfang an zum
Scheitern verurteilt ist.
- So in Punkt 7, indem die verschiedenen Sichtweisen
hinsichtlich der Gesetzeswidrigkeit einer Information und
stärker noch hinsichtlich der Schädlichkeit des
Inhalts mißachtet werden.
- So in Punkt 15, indem die unterschiedliche Rechtslage
und Praxis in den Mitgliedsstaaten hinsichtlich des
Gesundheitswesens verkannt wird.
- So allgemeiner in den zahlreichen Verweisen auf das
PICS-Verfahren, dessen Wert hier nicht bezweifelt werden
soll, dessen Effektivität aber von der Klassifikation
der Inhalte abhängt, die wiederum, wenn sie die
kulturellen Unterschiede nicht berücksichtigt, zu einer
vergröbernden Vereinheitlichung führen
könnte.
4. Unterstreichen die Verpflichtung zur Einhaltung des
Verhältnismäßigkeitsprinzips und der
Informationsfreiheit, zweier Leitprinzipien für
Entscheidungen der Europäischen Union, wie sie Teil der
Europäischen Menschenrechtskonvention sind und vom
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
entwickelt wurden.
- So in Punkt 32, indem auf die Notwendigkeit verwiesen
wird, "Lösungen für die Tatsache zu finden,
daß sich Informationen im Internet technisch einfach
für einen geschlossenen Benutzerkreis
verschlüsselt anbieten lassen": Wenn auch die, auch
heimliche, Verbreitung pädophiler Bilder bekämpft
und bestraft werden muß, so kann der Punkt, wie er
hier formuliert ist, im weiteren zu einem sehr ernsten
Eingriff in das Recht auf Brief- und Fernmeldegeheimnis
führen.
- So in Punkt 35, indem Maßnahmen gefordert werden,
die "für all Anbieter von Informationen über das
Internet eine eindeutige Absenderkennung vorschreiben": Wenn
auch Merkmale, die ein Identifizierung des
Informationsanbieters ermöglichen, eine legitime
Forderung der Justiz ist, könnte der so formulierte
Punkt das Recht des Bürgers auf Anonymität und
informationelle Selbstbestimmung negieren, eines Rechts,
dessen Berechtigung in vielen Fällen anerkannt ist.
(Krankheit, politische Auffassungen etc..)
5. Unterstreichen, daß das Internet eine für
alle offene Kommunikationsinfrastruktur ist, deren
Möglichkeiten von Bürgern genauso genutzt werden,
wie von offiziellen und privaten Organisationen oder von der
Wirtschaft, und daß diese öffentliche
Kommunikation nicht einseitig von Regeln bestimmt werden
kann, die sich nur an den einen oder anderen Beteiligten
wenden.
- So in Punkt 35, indem "für nicht strafwürdige
Inhalte Instrumente freiwilliger Selbstkontrolle" gefordert
werden, die vom Zugangs- oder Dienstanbieter vorgehalten
werden müssen. Mit Adaptierung von Mechanismen die sich
auf Standesregeln einiger Berufe beziehen verkennt der so
formulierte Punkt die Tatsache, daß das Internet nicht
nur der beruflichen Kommunikation dient. Der Bürger,
der sich im Internet äußert könnte solchen
Regeln nicht unterworfen werden, vielmehr ist eine
Beschränkung seiner Äußerungsfreiheit nur
durch eine Gesetzgebung im Rahmen der Verfassung
möglich.
6. Weisen auf die Gefahr der Gleichstellung der
strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Inhaltsanbieter und
Dienst- bzw. Zugangsanbieter hin, und sehen darin die Gefahr
eines Souveränitätsverlustes der Justiz zugunsten
der gewerblichen Anbieter und damit eine Gefahr für die
Rechtsstaatlichkeit.
- So in Punkt 35, indem gefordert wird, daß
[Zugangs- und Dienstanbieter] "für strafwürdige
Inhalte von ihnen angebotener fremder Dienste haften", "wenn
ihnen die einzelnen konkreten Inhalte positiv bekannt sind
und wenn es ihnen technisch möglich und zumutbar ist,
deren Nutzung zu verhindern. Dieser Punkt bringt den Dienst-
und Zugangsanbieter ganz klar in eine Richter- und
Zensorposition, während seine Aufgabe sich eigentlich
auf den Transport und die automatische
Zurverfügungstellung von Informationen eines
Inhaltsanbieters beschränkt. Entscheidend für das
Überleben des Berufsstandes des Zugangs- oder
Dienstanbieters als auch für die Beachtung des Prinzips
des freien Wahren- und Dienstaustauschs ist, daß die
Unfähigkeit des Zugangs- und Dienstanbieters anerkannt
wird, die Rechtswidrigkeit oder Schädlichkeit einer von
Dritten gelieferten Information zu beurteilen. Es ist
ebenfalls entscheidend für die Erhaltung der
Rechtsstaatlichkeit, daß die Entscheidung über
die Rechtswidrigkeit oder Schädlichkeit einer
Information allein den Gerichten überlassen bleibt.
7. Rufen das europäische Parlament, den Rat, die
Europäische Kommission, die nationalen Regierungen und
Parlamente der Mitgliedsstaaten sowie die internationalen
Organisationen auf,:
- Den oben genannten Vorbehalten Rechnung zu tragen,
- Zu vermeiden, daß kurzfristige Emotionen die
Gründungsprinzipen der Europäischen Union und
Grundprinzipien des Schutzes der Menschenrechte, wie die
Meinungsfreiheit, der Zugang zu öffentlicher
Information, der Schutz der Privatsphäre, sowie den
freien Austausch von Dienstleistungen und das
Verhältnismäßigkeitsprinzip
beeinträchtigen,
- in Erwägung zu ziehen, daß die
unterzeichnenden Organisationen ihre oben aufgeführten
Gründungsprinzipien umzusetzen und zu verteidigen
werden,
- in Erwägung zu ziehen, daß diese
Organisationen für jede Klarstellung sowie für
gutachterliche Fragen zur Verfügung stehen.
Erste Unterzeichner:
Europäische Mitglieder der GILC, die direkt
betroffen sind:
- (*) Association des Utilisateurs d'Internet (AUI) -
France - http://www.aui.fr
- Associazione per la Libertý nella Comunicazione
Elettronica Interattiva (ALCEI) - Italy -
http://www.nexus.it/alcei
- Cyber-Rights & Cyber-Liberties (CR&CL;) - United
Kingdom - http://www.leeds.ac.uk/law/pgs/yaman/yaman.htm
- Foerderkreis Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG)
- Germany - http://www.fitug.de
- Fronteras Electronicas Espana (FrEE) - Spain -
http://www.las.es/free/
- Quintessenz E-zine - Austria -
http://www.quintessenz.at
- (*) Xs4all Internet - The Netherlands -
http://www.xs4all.nl/
(*) Mitglieder der AG bei der DGXIII
Nicht-europäische, solidarische Mitglieder der GILC
:
- American Civil Liberties Union (ACLU) - USA -
http://www.aclu.org
- Bevcom Internet Technologies - USA -
http://www.bevcom.org
- Computer Professionals for Social Responsibility (CPSR) -
USA - http://www.cpsr.org
- Derechos Human Rights (DHR) - USA -
http://www.derechos.org/
- Electronic Frontier Foundation (EFF) - USA -
http://www.eff.org
- Electronic Frontier Foundation Austin (EFF-Austin) -
http://www.eff-austin.org
- Electronic Frontiers Australia (EFA) - Australia -
http://www.efa.org.au - Electronic Privacy Information
Center (EPIC) - USA - http://www.epic.org
- NetAction - USA - http://www.netaction.org
solidarische Nichtmitglieder der GILC:
- Digitale Burgerbeweging Nederland - (DB-NL) - The
Netherlands - http://www.db.nl
- Gais et Lesbiennes BranchÈs (GLB) - France -
http://fglb.qrd.org:8080/fqrd/staff/glb.html
- Intern@tif - France - http://www.internatif.org
- Nederlandse Internet Providers (NLIP) - The Netherlands -
http://www.nlip.nl
---------------------------------------
Kontakt für weitere Informationen und
Unterzeichnungen
Hauptkontakt:
Meryem Marzouki, présidente
Association des Utilisateurs d'Internet
40 quai de Jemmapes, 75010 Paris, France
http://www.aui.fr - presidence@aui.fr
--------------------
für deutschen Kontakt:
Rigo Wenning
Foerderkreis Informationstechnik und Gesellschaft
(FITUG)
c/o Prof. Jürgen Plate Fachhochschule München
Dachauerstr. 98b 80335 München http://www.fitug.de -
wenning2@rz.uni-sb.de